Die für uns alle und die alles bewegende Frage! Wer war er, dessen Name so oft auf dieser Homepage genannt wird?
Paul Gerhardt 12.03.1607 - 07.06.1676 berühmter Liederdichter und Pfarrer
Am 12. März 1607 wurde Paulus Gerhardt als zweiter Sohn des dortigen Bürgermeisters Christian Gerhardt in unserem Nachbarstädtchen Gräfenhainichen geboren. Die ersten Schulkenntnisse wurden ihm in der aus zwei Klassen bestehenden Schule seiner Heimatstadt vermittelt. Am 4. April 1622 brachte ihn sein Vater auf eine der drei berühmten sächsischen Landesschulen, nämlich auf die Domschule nach Grimma, auf der schon sein älterer Bruder Christian seit einiger Zeit als Schüler war. Während Paul Gerhardt viel Freude am Lernen zeigte, verließ sein Bruder heimlich die Schule und trat seinem Vater bei der Bewirtschaftung seines bäuerlichen Besitztums zur Seite und übernahm es später in eigene Hand.
Paul dagegen bewährte sich im Laufe des sechs Jahre dauernden Besuches der Schule als ein fleißiger, gut gesitteter Schüler, wie aus seinen auf uns überkommenen Zeugnissen der Jahre 1624 und 1625 hervorgeht. In der Schule wurde Latein als Hauptfach gelehrt; ja, man bediente sich auch bei der Unterhaltung außerhalb des Unterrichts dieser Sprache. Ziel der Lehrunterweisung war es, die Schüler im humanistischen Geiste zu erziehen. Ferien gab es während der sechs Jahre nicht, und als infolge des 30jährigen Krieges die Pest in Grimma auftrat, entvölkerte sich die Schule teilweise; unser Paul Gerhardt aber hielt tapfer aus. Am 15. Dezember 1627 verließ er Grimma mit dem Zeugnis für den Besuch der Universität.
Schon am 2. Januar 1628 wurde im Album der Wittenberger Universität als Student der Theologie "Paulus Gerhardus, Graefenhainichensis, Saxo" eingeschrieben. Hier hat er nun bis 1642 gelebt und ist damit für uns Wittenberger einer der unseren geworden. Leider sind uns über seine Studien und Lebensweise nicht viel Nachrichten überliefert; doch daß es in der Zeit des 30jährigen Krieges bei ihm an Not und Elend nicht gefehlt hat, davon singt er im zweiten Vers seines Pilgerliedes, das hier in Wittenberg entstand:
´Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann, hab ich so manchen Morgen, so manche liebe Nacht mit Kummer und mit Sorgen des Herzens zugebracht ...'
Das ist der Inhalt seiner harten Jahre hier in Wittenberg, wo die Pest wütete und viele Opfer forderte. Aber wo er gewohnt hat, das hat sich mit Sicherheit feststellen lassen. Es war im Marktviertel unserer Lutherstadt in der Collegienstraße, jetzt Nr. 7. Dieses Haus gehörte vom Jahre 1624 ab dem Diakonus Magister August Fleischhauer, der ein Sohn des Wittenberger Stadtmusikus Zachäus Fleischhauer war. Ersterer kam als dreijähriger Knabe mit seinen Eltern nach Wittenberg, war später 53 Jahre Prediger an der Stadtkirche St. Marien und starb im Dezember 1676. In der Familie finden wir nun unseren Paul Gerhardt wieder.
1628 war Paul Gerhardt an der Universität immatrikuliert worden. Ob er nun gleich als Student in diesem Hause gewohnt hat, dafür fehlt uns der Beweis; daß er aber bei den Kindern seines Wirtes als Informator und dadurch dessen Hausgenosse war, wissen wir bestimmt. Es wird Mitte der 30er Jahre gewesen sein; denn Fleischhauers ältester Knabe war 1627 geboten und die anderen Kinder sogar nach 1630. Gerhardts Anwesenheit in Wittenberg fällt in die ersten Notjahre dieses furchtbaren Krieges. Er war sicher Zeuge gewesen, als Gustav Adolf von Schwedden 1631 die Wittenberger Studenten begrüßte, und hat ein Jahr später den Trauerzug und die Feierlichkeiten erlebt, als der Leichnam des großen Königs auf dem Wege nach Schweden durch Wittenberg geführt wurde. Wenn auch die Stadt Wittenberg selbst von den Kriegsgreueln verschont blieb, so hat er doch von den Zerstörungen und Verwüstungen in der Nachbarschaft gehört und sicher auch gesehen. Seine Heimatstadt und sein Vaterhaus waren am 11. April 1637 selbst ein Opfer der schwedischen Rache gegen den abtrünnigen sächsischen Kurfürsten geworden. Mit den aus Gräfenhainichen nach Wittenberg geflüchteten Bewohnern hilt er treue Verbindung; so stand er bei einem Kinde eines Landsmannes, das in Wittenberg getauft wurde, Pate.
Unter den Universitätslehrern seiner Fakultät ragt vor allem Paul Röber hervor. Dieser hatte neben seiner Professur auch das Amt des Generalsuperintendenten des Kurkreises inne und war zuglich Pfarrer an der Stadtkirche. Er wird von seinen Zeitgenossen als ein "besonderer Liebhabers des Gesanges und der Musik" geschildert. Sollte er nicht auf seinen geistesverwandten Schüler großen Einfluß ausgeübt haben? Auch der bekannte Professor der Dichtkunst, August Buchner, der "Vater des Daktylus", gehörte zum Lehrkörper der Leucorea. Welchen bestimmenden Einfluß nun diese beiden Männer auf Paul Gerhardt ausübten und was davon auf seinen späteren Lebensweg befruchtend gewirkt hat, entzieht sich unserer Kenntnis.
Als letztes Zeugnis seiner Anwesenheit in unserer Stadt finden wir ein lateinisches Gedicht aus seiner Feder, das zu Ehren seines Freundes bei der Erlangung der Magisterwürde dargebracht wurde. Es war im April des Jahres 1642. Was ihn dann veranlaßt hat, von Wittenberg zu scheiden, ist nicht bekannt. 1643 finden wir ihn in Berlin bei dem Hof- und Kammergerichtsadvokaten Andreas Barthold, der später sein Schwiegervater wurde. Hier schrieb er zur Hochzeit einer Tochter seines Wirtes ein deutsches Gedicht.
Schon seine Wittenbergzeit zeigt, daß er der große Liederdichter der evangelischen Kirche werden sollte. "Die wittenbergisch Nachtigall" war wieder auferstanden. Unter diesen Sängern nimmt er den ersten Platz ein, denn seine Lieder finden wir nicht nur in den deutschen Liederbüchern, sondern sie werden noch heute in allen Ländern der Erde gesungen. Wie innig er mit seiner Heimat verbunden war, die ringsumher von den Wäldern der Dübener Heide eingeschlossen lag, davon zeugt sein bekanntes Abendlied "Nun ruhen alle Wälder", das 1647 entstand. 133 Lieder Paul Gerhardts, zu denen die bekanntesten "Befiehl Du Deine Wege" und "O Haupt voll Blut und Wunden" gehören, sind aus Erstdrucken der Jahre 1643 bis 1675 erhalten. Unser neues evangelisches Kirchengesangbuch weist noch 33 Lieder von Paul Gerhardt auf. Kein Liederdichter hat so herzbewegend gesungen wie er, und der große Sebastian Bach hat einen Teil davon vertont.
Als aufrechter Kämpfer der lutherischen Sache ließ er sich auch durch das Edikt des damaligen Kurfürsten von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, der später der "Große Kurfürst" genannt wurde, nicht beirren. Dieser war bestrebt, Lutheraner und Reformierte miteinander zu vereinen. Alle Religionsauseinandersetzungen waren damit verboten, und Paul Gerhardt, dern sich diesem nicht fügte, wurde als Prediger seines Amtes enthoben, mußte jedoch durch den scharfen Protest seiner Gemeinde wieder eingesetzt werden. Trotzdem verließ er das Land Brandenburg und damit Berlin und ging nach Lübben in den Spreewald, das damals zu Kursachsen gehörte, wo er am 7. Juni 1676 als "treufleißiger, wohlbekannter Archidiakonus im 70. Lebensjahr verstarb".
In unserer Lutherstadt ehrte man diesen großen Sänger der evangelischen Kirche in der Form, daß man dem am 4. Oktober 1883 in dem heutigen Hause Fleischerstraße 2 eröffneten Krankenhause seinen Namen gab. Diese Anstalt, das Paul-Gerhardt-Stift, die im Jahre 1958 auf ein 75jähriges segensreiches Bestehen zurückblicken kann, konnte am 5. September 1910 die stattlichen und für damalige Verhältnisse sehr umfangreichen und modernen Neubauten in der Paul-Gerhardt-Straße beziehen.
Der schöne, alte Renaissancebau Collegienstraße Nr. 7 trägt auf der Rückfront, die zum Kirchplatz Nr. 14 gehört, eine Sandstein-Gedenktagel mit folgender Inschrift: "Befiehl Du Deine Wege". Der Dichter deutscher Kirchenlieder, Paul Gerhardt, wohnte in diesem Hause von 1628 bis 1642 ."